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Prophet im eigenen Land

Prophet im eigenen Land

Prophet im eigenen Land

Prinz Grizzley hat sich dem Americana- Genre verschrieben. Also der US-amerikanischen Roots-Musik wie Country, Folk und Blues mit all ihren nahen und entfernten Verwandten. Der Prinz lebt im Bregenzerwald und hört im Alltag auf den Namen Christoph Comper. Aber wen interessiert schon der Alltag?

Langhaar, Truckerkappe, Bluejeans, Cowboystiefel. So sieht ein Country- Musiker aus. Aber ist Prinz-Grizzley einer? Künstlername oder Kunstfigur? „Eine interessante Frage“, sagt der Prinz und denkt nach. „Es wechselt. Einmal ist Prinz Grizzley Christoph Comper und einmal ist er es nicht.“ Christoph – wer? Ah so, das ist sein Name im Reisepass. „Und einmal will Christoph Comper Prinz Grizzley sein, aber nicht Christoph Comper.“ Er wird konkreter. „Es ist manchmal schwierig. Aber ich habe mir noch keine Gedanken darüber gemacht, ob das schon schizophren ist.“ Er zeigt ein breites Grinsen. Die Übergänge sind also fließend. Was Prinz Grizzley jedenfalls nicht tun würde: „Eine Malerhose anziehen. Das macht nur Christoph Comper.“

Der Maler ist Bregenzerwälder. Prinz Grizzley auch? „Wenn ich als Prinz Grizzley auf die Bühne gehe, geht ein Teil des Wälders natürlich mit.“ Aber eigentlich ist Prinz Grizzley international, spielt in Belgien, in der Schweiz, in Schweden. Er wurde zu Auftritten nach Austin, Texas, eingeladen und war mit Stars der Szene auf dreiwöchiger Englandtour. Er ist der Prophet der US-amerikanischen Roots-Musik im eigenen Land. Doch dann gibt es eben auch noch Christoph Comper, den Bregenzerwälder Maler, der Prinz Grizzley wieder zurück auf den Boden der Talschaft holt. „Dann gehst du auf die Baustelle und rollst eine Decke, mutterseelenallein. Dabei schießt dir auf einmal ein Bild in den Kopf: Tausende Menschen sitzen vor dir in einem alten Theater in Liverpool, das früher ein Zirkus war. Und du spielst für sie. Was ist das?, denkst du kurz, was mache ich dort? Dann fällt dir wieder die Decke ein, die du fertig malen sollst.“

Prinz Grizzley, der so weit weg erscheint, ist doch seiner Talschaft eng verbunden. „Wenn ein Bregenzerwälder aus dem Fenster schaut, sieht er Berge, Dörfer und Flüsse. Wenn ich einen Song über meine Heimat schreibe, kann es ähnlich klingen wie jemand, der irgendwo in den Appalachians über seine schreibt, denn er sieht ja, wenn er aus dem Fenster schaut, dasselbe wie ich. Die Enge, die Abgründe, die Gedankengänge – es sind viele Parallelen vorhanden.“ So passt das Bregenzerwälderische gut in die US-Roots-Musik. Und im Charakter gleicht Comper Prinz Grizzley, dem Country-Star: bodenständig und gelassen, nachdenklich und träumerisch.

Während der Pandemie musste der Prinz wie alle Unsterblichen durch die Finger schauen. Gut, dass der Maler Comper für ein Einkommen gesorgt hat. „Dank meiner Anstellung musste ich noch nie Existenzängste haben.“ Nicht zuletzt deshalb kann er einer zu weißenden Decke etwas abgewinnen und in der Krise auch Positives erfahren: Zeit für die Familie und Zeit, um zu reflektieren. „Was will ich? Wo will ich hin?“ Das weiß er jetzt. Wo ist der nächste Club, das nächste Festival? Der Prinz von Wales hat zum Wahlspruch: „Ich dien.“ Prinz Grizzley: „Ich spiel.“

Autor: Bartholomäus Natter
Ausgabe: Reisemagazin Winter 2021-22