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Behutsam beim Bauen

Behutsam beim Bauen

Der in Mellau gebürtige Helmut Dietrich von Dietrich/ Untertrifaller Architekten über das Phänomen der neuen Architektur im Bregenzerwald.

Sie sind gebürtiger Bregenzerwälder. Was zeichnet die Architektur hier aus?

Helmut Dietrich: In den letzten Jahrzehnten ist im Bregenzerwald eine neue, zeitgemäße Architekturhaltung entwickelt worden, die sich sehr stark an den Werten und Qualitäten der über Jahrhunderte entwickelten Typologien der Wälderhäuser orientiert, ohne diese zu kopieren. Das äußert sich an der klaren, geometrisch einfachen, aber markanten Formensprache, an sinnhaftem Einsatz des Baustoffes Holz, der für die Region typisch ist und für den im Bregenzerwald die wohl europaweit besten Handwerker zu finden sind – und vielleicht auch die besten Holzbauarchitekten …

Daran besteht kein Zweifel …

Dietrich: Es äußert sich aber auch durch maßstäblich angepasste und respektvoll in die Landschaft gesetzte Neubauten und durch anspruchsvolle und faszinierende Sanierungsbeispiele der alten Bauernhäuser. Die größte Leistung liegt meines Erachtens darin, dass es im Bregenzerwald gelungen ist, eine neue, fast durchgehende Typologie der an heutige Lebensentwürfe angepassten Häuser zu entwickeln.

Diese neue, behutsame Moderne fügt sich nahtlos an die Typologie des Bregenzerwälderhauses an und prägt heute die Hauslandschaft in einem Maße, wie wir uns das vor dreißig Jahren nur im Traum vorstellen konnten. Dieses Phänomen ist tatsächlich einzigartig.

Was hat sich in den vergangenen Jahrzehnten beim Restaurant- und Hotelbau getan?

Dietrich: Wenn wir zurückblicken, sehen wir in den 1960er- und 1970er- Jahren auch im Bregenzerwald eine Hinwendung zum rustikalen Einheitsstil, der „Jumbo-Almhütte“, einer gebauten Karikatur des Tirolerhauses, die den gesamten Alpenraum überzogen hat und vielerorts noch heute das Siedlungsbild prägt. Im Bregenzerwald gab es ab den 1980er-Jahren ein Innehalten und Nachdenken über alternative Konzepte, die eine touristische Neuorientierung zurück zu bescheideneren Dimensionen, aber auch zu qualitätsvollerem Tourismus zur Folge hatten. Das äußert sich in zahlreichen beispielhaften Sanierungen und Umnutzungen alter Gasthäuser, aber auch in gelungenen Renovierungen und Zubauten jüngerer Hotels.

Wie schätzen Sie die aktuelle Entwicklung ein?

Dietrich: Derzeit sehe ich mit wachsender Besorgnis eine Abkehr von dem jahrzehntelang geübten behutsamen Umgang mit Landschaft und Ortsbildung, eine neue Hinwendung zu Hotelbauten im großen, ortsuntypischen Maßstab, wie sie überall im Alpenraum zu finden sind. Dies gefährdet meiner Meinung nach die europaweit beachtete und vielgepriesene Modellregion Bregenzerwald in ihrer Bedeutung und ihrem Selbstverständnis. Unsere differenzierte, sensible Landschaft und unsere Dorfbilder sind nicht dafür geeignet, große Baudimensionen zu integrieren. Diese Lehre hatten wir aus den Bausünden der Vergangenheit gezogen. Sind wir dabei, diese Erkenntnis über Bord zu werfen? Ich hoffe nicht.

Interview: Thorsten Bayer
Ausgabe: Reisemagazin Sommer 2018