de en

Hier kommt das User Feedback

Telefon E-Mail Info
bwmag04_Spitzenhaeklerin

Die Welt der Weißwaren

Die Welt der Weißwaren

„Etwa 80 Prozent der älteren Wälderinnen häkeln ihre Spitzen noch selbst. Und die Jungen entdecken mit dem Charme des alten Wälderhauses auch die alten Handwerkstraditionen wieder.“ sagt Rosmarie Greussing.

Unterschiede erkennen zu können, zeichnet den Fachmann aus. Ich erkenne erst mal gar nichts. Als Rosmarie Greussing mehrere Vorhangstoffe vor mir ausbreitet, erscheinen mir alle ziemlich gleich: weiß und an den Rändern mit Spitzen versehen. Zugegeben, die gehäkelten Enden haben unterschiedliche Muster und Formen – Dreiecke, Rhomben oder Quadrate. Doch dass es in Sachen Spitzen noch weit mehr zu entdecken und damit zu unterscheiden gibt, wird mir erst klar, als mich Rosmarie Greussing in die Welt der Weißwaren einführt.

In ihrer Werkstatt samt Verkaufsladen am Ortsrand von Mellau arbeitet Rosmarie Greussing meistens allein. Werkstatt und Laden sind klein, dennoch hat darin sogar China Platz. „Ich „Etwa 80 Prozent der älteren Wälderinnen häkeln ihre Spitzen noch selbst. Und die Jungen entdecken mit dem Charme des alten Wälderhauses auch die alten Handwerkstraditionen wieder.“ sagt Rosmarie Greussing. nenne die maschinell gefertigten Häkeleien, die den Markt seit Jahren beherrschen, einfach Chinaware“, sagt Rosmarie Greussing. „Obwohl die Spitzen natürlich auch aus Rumänien oder der Türkei stammen können. Bei mir kann man sie kaufen. Allerdings werden diese Spitzen ebenso wie die handgefertigten aus dem Bregenzerwald vorher von mir verarbeitet. Also händisch ab- und angenäht.“ Nur Unikate verlassen ihre Werkstatt. Ob Chinaware oder echtes Wälderhandwerk ist eine Frage des Geldes und des Traditionsbewusstseins. „Etwa 80 Prozent der älteren Wälderinnen häkeln ihre Spitzen noch selbst. Und die Jungen entdecken mit dem Charme des alten Wälderhauses auch die alten Handwerkstraditionen wieder. In die ursprünglichen Wälderfenster passen Vorhänge mit Spitze perfekt hinein. Klar, dass die dann auch echt, also handgemacht sein sollten.“

Selbst die Wälder Spitze ist der Mode unterworfen. „Der Bregenzerwald gilt ja längst auch als Zentrum der modernen Architektur. Für neue Häuser finde ich es spannend, altes Handwerk mit neuem Design zu verbinden.“ Rosmarie Greussings Liebe gilt immer schon dem „Textilen“. „Wenn ich Fotos oder Filme anschaue, achte ich auf die Innenausstattung der Räume. Danach weiß ich, wie die Vorhänge oder Kissenbezüge ausschauen. Das ist meine Welt.“ Ihre Leidenschaft wurde schon in jungen Jahren zum Beruf. Noch vor nicht allzu langer Zeit schwebte ihr ein Job in einem großen Möbelhaus vor. Hauptsache in der Nähe einer Vorhangabteilung. Daraus wurde nichts. „Eine Freundin hat mir die entscheidende Frage gestellt: Warum machst du mit all deiner Erfahrung nicht etwas Eigenes auf?“ Binnen einer Stunde habe sie sich entschieden. „Mein Mann hat mir seine ehemalige Schlosserwerkstatt in unserem Haus hergerichtet und nun bin ich seit zehn Jahren selbstständig.“ Und immer auf der Suche nach neuen, alten Häkelmustern. Aber mit den alten Spitzen ist das so eine Sache. Um mehrere Generationen überdauern zu können, braucht die Spitze besondere Pflege: Das heißt etwa, sie zum richtigen Mondzeitpunkt einweichen, abkühlen lassen und abschließend im Topf kochen. Ja richtig, am Herd. „Dann kann so eine Spitze schon siebzig Jahre oder älter werden.“

Autorin: Carina Jielg
Ausgabe: Reisemagazin Somer 2011